Als Frau aus der IT beim Jobcenter

Diese Geschichte hatte Luna mal als Gastautorin in einem anderen Blog geschrieben. Dort ist sie nun verschwunden, da der Blog nicht mehr existiert. Ich will den Artikel mal aufgreifen und vor allem die komplette Geschichte wiedergeben.

Etwas zu dieser Frau:
Sie programmierte schon als Kind in den frühen 1980ern. Dies baute sie immer mehr aus. Ein Studium brach sie ab, da es ihr zu theoretisch war und erlernte schlussendlich eine anderen Beruf. Einerseits wegen ihrer Familie. Andererseits, um ggf. auf einen gelernten Beruf zurück greifen zu können, falls eine Selbstständigkeit scheitern sollte.
Über diese Selbstständigkeit im Bereich der Softwareentwicklung fand sie eine Festanstellung. Nach einiger Zeit hatte sie einfach keine Lust mehr ständig Kunden zu suchen, die Buchhaltung zu machen und was eben alles zu einer Selbstständigkeit dazu gehört.
Nach 1,5 Jahren wurde das Angestelltenverhältnis gekündigt. Weil die Firma sie nicht mehr brauchte und sie alle Sachen dort erledigt hatte. Dass Software gepflegt werden muss, an Updates angepasst usw usf. lassen wir mal außen vor.
Was im späteren Verlauf wichtig wird: Die Frau hat einen Bandscheibenvorfall seit ihrer Kindheit und ist stark adipös. (Ich würd es ansonsten nicht schreiben!)

In diesem Angestelltenverhältnis arbeitete diese Frau für gut zwei Leute. Lt. ihrem Arzt war sie kurz vor einem Burnout. Insofern kam ihr die Kündigung gesundheitlich auch gerade recht. Bei einer Selbstständigkeit kann man sich immer noch einteilen, wann man wie viel arbeitet. Für sie stand also fest, dass sie wieder selbstständig werden wollte.
Leider hatte man ihr relativ kurzfristig gesagt, dass man sie nicht mehr bräuchte. Somit hatte sie nicht genügend Rücklagen, um in eine Selbstständigkeit zurück zu kehren. Denn dies erfordert ja den Kauf von Tools, die Suche nach Kunden und die tauchen ja auch nicht von heute auf morgen auf.

Aus diesem Grund ging sie zur Agentur für Arbeit und meldete sich arbeitslos. Man nahm ihre Daten auf und schrieb in den Computer, dass sie die Fähigkeiten erst im Angestelltenverhältnis erworben hätte. Sie sagte, dass sie zuvor schon damit erfolgreich selbstständig war und seit ihrer Kindheit programmiert. Worauf ihr geantwortet wurde:”Dann hätten Sie die Selbstständigkeit nicht beendet und wenn sie das gut könnten, wären Sie auch nicht gekündigt worden.”
Im weiteren Gespräch sagte sie, dass sie zurück in die Selbstständigkeit wollte und hierzu gern einen Gründungszuschuss hätte. Das wurde aber mit “Ich will kein Geld zum Fenster hinaus werfen!” abgelehnt.
Sie wurde als ungelernte Kraft geführt, da ihre Ausbildung nun mittlerweile auch gut 20 Jahre zurück lag.

Man legte ihr nahe, erstmal grundlegende Kurse zu besuchen in denen sie Urkunden bekommt, die zeigen, dass sie mit einem Computer umgehen kann. Danach könne sie ja immer mehr darauf aufbauen. Dies wurde wohlgemerkt einer Frau erzählt, die 1981 mit 5 Jahren auf einem ZX-81 anfing zu programmieren! Seitdem machte sie nichts anderes, als sich ständig weiter zu bilden und hatte viele verschiedene Computer(typen) genutzt.
Es grenzte an Hohn.

Dennoch ging sie los zum Rathaus und machte sich selbstständig im Rahmen ihrer Arbeitslosigkeit (x Stunden, Nebengewerbe usw usf). Sie lieh sich Geld bei Freunden, um erstmal die grundlegenden Tools kaufen zu können. Dann suchte sie Kunden. Diese fand sie aufgrund der vorherigen Selbstständigkeit und Vitamin B auch relativ schnell. Dadurch konnte sie schnell weitere Tools kaufen und ihre Schulden bei den Freunden bezahlen.
Zum nächsten Termin bei der Agentur für Arbeit nahm sie voller Stolz den Ordner mit den Einnahmen und Ausgaben mit. Sie wollte zeigen, dass sie schon sehr erfolgreich neue Kunden gefunden hatte und Geld verdiente. Der Grundstein also gelegt worden war.
“Das ist ein Fall für die Leistungsabteilung. Das interessiert mich nicht!”, war der Kommentar seitens der Agentur für Arbeit. Eigentlich wolle man auch gar nicht, dass sie das macht. Man hatte mit dem Abteilungsleiter gesprochen, der hätte zuvor im IT-Bereich gearbeitet und erzählt, dass man sehr viele Jahre braucht, um erfolgreich zu werden. Das würde jetzt alles zu lange dauern. Man würde sie gerne in eine Umschulung im Bereich der Altenpflege stecken.
Wir erinnern uns, was ich ziemlich am Anfang schrieb? Man hätte zumindest sehen müssen, dass sie stark übergewichtig ist. Ich denke allein das disqualifiziert einen im Bereich der Altenpflege zu arbeiten. Sie wurde auch nichtmal gefragt, ob sie von irgendwelchen körperlichen Beschwerden weiß, die dagegen sprechen.
Nach diesem Termin musste sie an einem Bahnübergang halten und hätte sich am liebsten auf die Schienen gestellt. Nur, dass der Lokführer für ihr bescheidenes Schicksal und das Verhalten der Agentur für Arbeit nichts konnte, hielt sie an diesem Tag davon ab.

Nebenbei sollte sie 10 Bewerbungen auf Stellenausschreibungen und fünf Eigeninitiativen jeden Monat schreiben. Auch dies erledigte sie. Nach drei Monaten hatte sie im Schnitt drei Vorstellungstermine pro Monat gehabt.
Auch das hätte für ihre Fähigkeiten sprechen müssen. Zumindest was die Bewerbungsmappe anging. Es gibt Leute, die schreiben 100 Bewerbungen und haben nicht ein einziges Vorstellungsgespräch.
In der Tat wurde die Agentur für Arbeit stutzig. Man rief sie an und wunderte sich über die hohe Rate an Vorstellungsterminen als ungelernte Kraft. Was sie denn in ihre Bewerbung reinschriebe. Im Anschluss des Gesprächs schickte sie ihre Projektmappe und den Lebenslauf per Mail an die Agentur für Arbeit.
In dieser Projektmappe befanden sich auch Projekte, die sie während ihrer vorherigen Selbstständigkeit erledigt hatte und somit gut 20 Jahre zurück lagen.

Danach ging alles ganz schnell. Sie sollte schnellstens einen Businessplan schreiben und ihn prüfen lassen. Danach würde sie den Gründungszuschuss bekommen. Sie hatte kaum noch Zeit, da man den Gründungszuschuss nur in den ersten 150 Tagen der Arbeitslosigkeit beantragen konnte.
Sie bekam den Gründungszuschuss und ist heute noch selbstständig.

Hierbei fragt man sich ernsthaft, wie vielen Leuten es ähnlich ergeht und die vielleicht dadurch in einer Langzeitarbeitslosigkeit mit HARTZ IV und Sanktionen landen.

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