Weil ich weiß und Deutsche bin, bezeichnet man mich als Alman/Kartoffel.
Weil ich Asperger Autistin bin, bezeichnet man mich “Behinderte” oder sogar “Krüppel”. Korrekt wäre: Mensch mit Behinderung. Ich habe aber nicht einmal einen Schwerbehindertenausweis.
Weil ich Computerspiele spiele, bezeichnet man mich Gamerin.
Weil ich nur auf Männer stehe, bezeichnet man mich als heterosexuell.
Weil ich XX Chromosome habe und mich als Frau fühle, bezeichnet man mich als cis.
Weil ich Star Wars mag und teilweise lebe, bezeichnet man als Nerd.
Weil ich IT-System-Kauffrau bin, bezeichnet man mich als Geek.
Weil ich nicht in der Kirche bin und Black Metal höre, bezeichnet man mich als Satanistin.
Weil ich als Firmenwagen einen VW Passat – Benziner übrigens! – fuhr, bezeichnete man mich als VW-Jünger, Raser, Umweltverpesterin und/oder Luftverschmutzerin.
Wann aber seht ihr mich als das, was ich eigentlich bin? Ein Mensch …
Merkt ihr eigentlich noch etwas? Ihr steckt Leute momentan in Schubladen. Teils sogar Stereotypen (wie beim Black Metal = Satanistenpack). Damit macht ihr nichts anderes, als das, was ihr u. a. gerade ankreidet. Vor kurzem hieß es auf Twitter und in den Medien, man solle sich nicht als “Indianer” verkleiden. Wobei dieses Wort auch schon nicht okay war. Diese Verkleidung bediene Stereotypen.
Das war “gestern”.
Heute sind es die Gamer, die alle sexistisch, diskriminierend etc sind.
Abermals die Frage: Merkt ihr noch etwas? Ihr macht genau das, was ihr zu Karneval noch kritisiert habt: Ihr bastelt munter Stereotypen.
Gestern war das noch rassistisch. Weil es eine Ethnie betraf. Heute ist das okay? Es betrifft ja durchweg alle Ethnien, die Computerspiele spielen, also Gamer. Oder wie soll ich es mir vorstellen?
“Vorgestern” gab es noch den Hashtag #AllMenAreTrash. Der war ja auch voll okay?! Weil auch hier wieder: Es betraf alle männlichen Menschen. Das ist dann ja nicht rassistisch. Sexistisch war es anscheinend auch nicht. Denn schlussendlich bekämpfte man ja Feuer mit Feuer. Alle Männer sind ja sexistisch. Wissen wir Frauen ja. Oder sind es vielleicht doch nicht alle Männer?
Es ist völlig okay politisch korrekt sein zu wollen, gegen die Diskriminierung von Frauen zu kämpfen, gegen Sexismus etc pp. Es ist auch wichtig in vielen Bereichen.
Wie das teilweise auf Twitter geschieht, schießt aber weit über das Ziel hinaus. Da hilft auch nicht die Aussage, man müsse es ja so überspitzt machen. Um alle und jeden wachzurütteln. Wer schweigt oder die Kritik kritisiert sei ein Teil des Problems.
Gut. Demnach bin ich jetzt ein Teil des Problems. Ich kritisiere hier nämlich gerade wie die Kritik geschieht.
Zum Thema Gamer kann ich nur sagen, dass in meinem Freundeskreis keiner so ist, wie ihr es gerade darstellt. Wir nehmen Rücksicht aufeinander, geben uns Tipps, helfen einander aus … Eine Freundschaft, wie sie sein soll. Nur in digital. Im RL ist es allerdings nicht anders. Wir sind immer für einander da.
Natürlich habe ich auch negative Erfahrungen gemacht. In SWTOR war ich in einer Gilde und dort sehr gut integriert. Die Gilde zerbrach, weil viele keine Zeit und Lust für den “Endcontent” hatten. Der Eine bekam ein Kind, der Nächste stand auf einmal im Berufsleben, der Übernächste wurde arbeitslos. Es galt:”RL geht vor!” Und das war das Schöne an dieser Gilde. Was ihr gleichzeitig zum Verhängnis wurde.
Natürlich gab es dort die anderen Seiten. Man ging einmal nicht mit den “Gildies” los. Da bekam man als Frau schon einmal einen dummen Spruch. Eine andere Gruppe bezeichnete mich als Noob. Was meine “Gildies” absolut nicht verstanden. Und ja, wir waren ehrlich zueinander. Aber konnten über die Fehler lachen, die jedem von uns hin und wieder passierten. Denn – HEY! – es ist nur ein Spiel!
Ein paar Tage später ging man wieder los und bekam ein Lob, wie toll man doch spiele. Oder man trat eine Diskussion los:”Was du bist ja wirklich eine Frau? Wow! Leider gibt es ja nicht viele Gamerinnen!”
Im Großen und Ganzen waren die Beleidigungen, Diskriminierungen und der Sexismus wirklich das geringere Problem. Es existiert. Selten stößt man darauf. Die Regel ist es nicht. Zumindest nicht in diesem Spiel.
Ich hatte auch schon Eve Online gespielt und war dort in einer Corporation. Damals traute ich mich noch nicht ins TS. Eines Tages dann doch. Zum Glück musste ich nicht reden. Man wusste aber, das ich eine Frau bin. Es geschah in der ganzen Zeit – ungefähr ein Jahr lang – ganze genau … Gar nichts! Überhaupt nichts in dieser Hinsicht.
Es gibt noch so viele andere Spiele, die ich spielte. In denen ich eher immer positives Feedback bekam. Wenn ich sagte, dass ich eine Frau bin. Dass ich Asperger Autistin bin, erzähle ich selten. Meistens nur, wenn man mich fragt, warum ich so still sei. Aus Angst, dass es falsch verstanden wird, melde ich mich auch nicht immer gleich. Aber auch aus Angst etwas falsch zu machen. Das wurde mir teilweise zum Verhängnis: Ich fühlte mich teilweise einsam. Aber das ist und war meine eigene Schuld.
Ich würde also behaupten, dass die Themen Diskriminierung, Rassismus, Sexismus etc pp. nicht übermäßig bei Gamern zu finden sind. Es existiert. Genau so, wie in allen anderen Bereichen des Lebens.
Wenn du dich als Frau für technische Dinge interessierst. Dann schauen dich einige Männer merkwürdig an und bringen Sprüche. Umgedreht hört man das jedoch auch von Männern in den “typischen Frauenberufen”. Wir kennen doch alle das Bild vom “schwulen Frisör”. Der kann ja nur homosexuell sein. Warum sonst würde der diesen Beruf ausüben?
Jedoch habe ich umgedreht von keiner “Lesbe” gehört, die in einem technischen Beruf arbeitet. Männer sind somit in Berufen, die als typisch weiblich gelten, gleich homosexuell. Umgedreht sind Frauen es jedoch nicht.
Sind jetzt all diese Menschen Gamer, die so etwas von sich geben? Vermutlich ja. Die Definition von Gamer lautet:”Jemand, der ein Computerspiel spielt.” Und ich denke, dass jeder von uns mindestens einmal eines gespielt hat.
Man könnte aber auch sagen, dass diese Menschen Musikhörer sind. Denn jeder von uns hört Musik oder hat sie in seinem Leben mindestens einmal gehört.
Oder Wassertrinker …
Oder …
In Schubladen und Kategorien einzuordnen ist etwas, das Menschen teils etwas vorschnell machen, das stimmt – auf der einen Seite sehe ich solche Einordnungen als recht hilfreich an, andererseits bergen sie natürlich auch die Gefahr von zugeordneten Klischees. Dass ein Gegenüber ein Mensch ist, ist für mich unabhängig von der Schublade implizit klar (u.a. deswegen bevorzuge ich selbst bspw. Identity-first-Sprache, also “Behinderter” statt “Mensch mit Behinderung”, für mich hat ein solches einordnendes Wort nichts mit einer Reduktion zu tun – das ist aber wohl Einstellungssache).
Wie viel diese überspitzte und damit stark polarisierende Kritik in der heutigen Zeit bringt und wie sinnvoll sie ist, darüber lässt sich streiten. Ich sehe die Problematik mit diskriminierendem Verhalten in der Gamingszene hauptsächlich im Mainstream, weniger in kleinen Grüppchen; allerdings trifft zumindest nach meiner Erfahrung in ersterem auch konstruktive Kritik oft genug auf Anfeindungen und “stell dich nicht so an”. Und ich kann verstehen, wenn aus der langzeitigen Erfahrung, dass ruhige Hinweise ignoriert/belächelt werden, diese evtl. überzogene Haltung resultiert.