Möchte hier mal über was sehr Spezielles schreiben. Was, das mir schon vor langer Zeit auffiel, als ich noch Opfer von Cyberstalking war.
Es nennt sich Gaslighting.
Gaslighting kann viele Ausrichtungen haben. Angefangen von einem Machtgefühl dem eigenen Kind gegenüber. Das bekannteste ist wohl dieser Spruch “Du bist selbst schuld, dass deine Schwester/dein Bruder besser ist/mehr geliebt wird.”
Gaslighting ist jedoch auch jemanden zu verunsichern. Meine Erzeugerin machte das gern. So verschwanden Dinge aus meinem Zimmer, die mir scheinbar wichtig waren. Das kann das arg zerknitterte Lieblingsposter, die x-fach gelesene Zeitschrift, die einen Artikel des Lieblingsschauspielers enthielt oder die Wissenschaftszeitschrift mit einem Artikel, dessen Thema besonders interessierte, gewesen sein. Ich hatte sie immer unterm Bett gelagert, dass ich schnell ran kam. Nachm Lesen/Angucken lagerte ich sie sofort wieder unterm Bett. Bis sie eines Tages weg waren.
“Mama? Du hast doch gesaugt. Wo ist die Zeitschrift xyz?”
“Keine Ahnung, Kind. Du versteckst doch eh immer alles vor dir selbst und weißt nie, wo du was hinlegst!”
In Wirklichkeit entfernte meine Erzeugerin die Sachen. Damit hatte sie den Beweis, dass ich wirklich alles vor mir versteckte und mir das nie merken würde.
“Aber ich legs immer gleich wieder da hin unters Bett!”
“Ja, das hast du dir eingebildet. Das denkst du nur. Bist damit wahrscheinlich sonstwohin im Haus oder irgendwo in deinen Schränken.”
Natürlich fand es sich alles nie an. Das ist eine typische Situation beim Gaslighting. Sagt man es dem anderen nur oft genug, glaubt er es wirklich irgendwann. So suchte ich ab einem gewissen Punkt immer sämtliche Schränke durch. Weil ich wirklich glaubte, dass ich es mir nie merkte, wo ich meine Sachen hinlegte. Je nachdem, wie wichtig es mir war, suchte ich sogar das ganze Haus ab. Auch wenn sie eigtl. einen speziellen Platz hatten. Es muss die Genugtuung für meine Erzeugerin gewesen sein!
Bis ich eines Tages ein von mir lange zusammengespartes Computerspiel spielen wollte. Die Anleitung fand sich eigtl. in der gleichen Schublade, wie das Spiel. Kennst du das noch? “Gib bitte von Seite 12, Absatz 3 das 5. Wort ein!”
Ging nicht. Anleitung weg!
“Mama! Wo ist die Anleitung, die in dieser Schublade war?”
“Die hab ich letztens weggeworfen. War doch nur Werbung!”
Mir wurde an diesem Tag schlagartig sehr viel klar. Sehr viele Dinge verschwanden Jahre lang auf diese Weise aus meinem Zimmer. Außerdem durchsuchte sie sogar Schubladen!
Gaslighting kann auch sein, dass jemand den Arbeitskollegen sagt, der Kollege xyz ist ja n ganz seltsamer. Neulich hat man den doch glatt in Unterhosen im Supermarkt gesehen! Das kann man natürlich nicht sofort sagen. Man muss die Kollegen langsam drauf vorbereiten, dass xyz seltsam ist. Bis sie einem sogar so was extremes glauben. Natürlich hast du keinen einzigen Beweis dafür. Der Akku deines Handys war leider grad leer! “Aber hey! Das müsst ihr mir einfach glauben! Der stand da echt in Unterhosen und hats nicht gecheckt!”
Gaslighting in den sozialen Netzwerken funktioniert ähnlich.
Man hat einen gewissen Followerkreis aufgebaut. Meistens Menschen, die ähnlich ticken, wie man selbst. Du bist also der Nette von nebenan. Das muss wahr sein, was du sagst.
Mein Cyberstalker wollte mir eine psychische Störung andichten. Das hätte er ganz klar überall heraus lesen können. Es gab keinen einzigen Beweis. Jeder hätte x Sachen durchlesen müssen. Forenbeiträge, Rezensionen… Was man nicht so alles macht seit mittlerweile 26 Jahren im Netz.
Das macht kein Mensch. Aber hey! Es hat einer gemacht! Cool! Arbeit abgenommen! Die Person ist also psychisch krank. Hmm, okay. Na ja. Irgendwie hat man das ja schon immer vermutet. Auch, wenns nicht so war. Man denkt halt nicht viel drüber nach. Außer, es ist die beste Freundin oder so. Dann kennt man die Menschen ja, hat fast täglich mit ihnen zu tun…
Er hat sogar die Mutter meiner Erzeugerin angerufen. “Ich wollt dir nur mal mitteilen, dass deine Enkelin psychisch krank ist. Wusstest du das schon?”
Ja, echt. Sie hat das nämlich sofort danach meinem Ex-Mann erzählt, der noch Kontakt zu ihr und mir pflegte. Der wiederum bei mir per Mail “anklingelte” und fragte, wie das eigtl. zustande kam und was da los ist bei mir.
Außerdem wurden Freunde auf fb “belästigt”. Die Belästigung sah so aus, dass er Freundschaftsanfragen stellte. Um eben auf meine Beiträge an die zugreifen zu können.
Je mehr Informationen ein Stalker hat, desto mehr kann er einstreuen und damit als “Insider” auftreten. “Was? Der weiß das sie letztes Jahr 3 Wochen auf ner Alm verbrachte? Das wissen nur die besten Freunde, weil sie ne Auszeit nahm! Da muss der Rest wohl stimmen. Der war ja auch eingeweit! Da kennt er sie ja gut!”
Ein weiteres Phänomen tritt bei Verlinkungen auf. Das kann ein Tweet sein oder Zeitungsartikel. Drüber schreibt man eine schockierende Zusammenfassung. Etwas, das so gar nicht im Artikel oder Tweet vorkommt.
Ich schreibe dir:”Alles Gute zum Geburtstag! Hab nen schönen Tag!”
Jemand retweetet das:”Boar, was n Arschloch! Sagt zwar ‘Alles Gute zum Geburtstag’, aber dann, das die Person den schlechtesten Tag des Lebens haben soll!”
Bei solch kurzen Tweets fällts natürlich sofort ins Auge. Bei 280 Zeichen langen Tweets nicht mehr und schon gar nicht bei x Tweets langen Threads. Das jetzt einfach nur als Beispiel.
Was passiert?
Man sieht den Drüko (=Drüber Kommentar=hier jetzt die Fakezusammenfassung), liest ihn und macht sich meist nicht mehr die Mühe den richtigen Tweet zu lesen und noch häufiger gar nicht erst den Thread. Das Phänomen ist besonders bei Zeitungsartikeln und Webbeiträgen bekannt. Wenn ichs richtig zusammenbekomm hat mal eine Seite eine sehr polarisierende Überschrift verbreitet über einen Link. Das hat sehr viele aufgeregt und wurde ungelesen geteilt.
Diejenigen, die doch drauf klickten, bekamen etwas ganz anderes zu sehen. Das war so was wie:”Danke, dass wenigstens du vorher liest, bevor du weiter verbreitest.”
Das machen sich momentan viele Trolle in den Sozialen Medien zunutze. Sie tun erst so, als wären sie der nette Mensch von nebenan. Haben sie genug Follower zusammen, fangen sie ihr perfides Spiel an. Das funktioniert allerdings auch schneller mit einem eigenen Netzwerk.
Wie auch immer, man sieht einen Tweet einer völlig ahnungslosen Person. Den mag man nicht, weil er eine Meinung vertritt, die man nicht mehr im Netzwerk sehen will. Also retweetet man die Person mit einem Drüko in der man kurz zusammenfasst, was diese Person gesagt haben soll und sie noch dazu diskreditiert.
“Boar ey! Da sagt diese Person doch glatt, dass jeder seinen Hund aufn Gehweg kacken lassen soll! Voll psychisch krank so einer!”
In Wirklichkeit war die Person heute in einen Hundehaufen getreten und regte sich auf, dass der Besitzer den nicht entfernt hatte.
ABC liest das, macht sich nicht die Mühe den richtigen Tweet zu lesen und denkt:”Alter! Kann doch nicht sein!” Er verbreitet “Boar ey! […]” weiter. Wo es seine Follower lesen, sich drüber aufregen, es teilen… Du erkennst das Muster…
Einige wenige, die später jedoch mehr werden können, schreiben unter den ungelesenen Tweet noch drunter:”Diggah! Tickste noch ganz sauber, ey?”, und “Diggah” fällt einmal mehr aus allen Wolken. Hätte “Diggah” schon auf den Drüko reagiert, wäre er entweder nicht beachtet worden oder es wäre alles mögliche von ihm verdreht worden. Gern noch sehr ausführlich und mit x Tweets, dass es total unübersichtlich wird. Je unübersichtlicher es wird, desto besser. Kein Mensch macht sich die Mühe durch das Chaos durchzusteigen. Häufig bekommen die Follower 1-2 Antworten von “Boar ey![…]” in die TL gespült. Sie sehen also nur, wie unrecht “Diggah” hat und wie krank er doch ist. Es schreiben vielleicht noch welche drauf:”Recht hast du!”, was wiederum dessen Follower sehen, vielleicht querlesen, jedoch die x Tweets lesen, in denen steht, wie dumm, krank und doof “Diggah” doch ist. Wenns genug sagen, wirds ja stimmen, Also stimmt man doch gleich mit zu! Zudem hat ja alles, außer das von “Diggah” zahlreiche Likes. Ein weiterer Beweis, dass “Diggah” nicht in Ordnung ist. Nicht mal seine Follower stimmen ihm zu! Vorzugsweise sucht man sich natürlich Opfer mit kleineren Netzwerken aus. Man selbst ist nur mit Fakeaccounts unterwegs, die jedoch ein großes Netzwerk dahinter haben. Was jedoch keiner sieht.
Je nach Thema ist der Shitstorm fertig. Vor allem jedoch das Gaslighting. Man verdrehte die Aussagen des anderen so lange so, wie es einem passt und wie es den anderen als ganz böse dastehen lässt. Die wenigstens verifizieren das und nehmen sich die Zeit dafür. Es passt ins eigene Weltbild und je besser das passt, desto eher glaubt man das ohne es selbst zu verifizieren.
Wer seine eigene “Armee” hat greift auch gerne auf Bots zu. “Diggah” wird vorzugsweise so lange zugespammt, dass er gar nicht mehr blocken kann und er löscht sich.
Wieser hat man einen aus dem sozualen Netzwerk entfernt, dessen Meinung einem nicht passte. Wieder wird die eigene Meinung ein bisschen bedeutungsvoller. Ab einem gewissen Punkt kippt das Ganze nämlich. Zweifler sehen nur die eine Meinung und die andere in der Minderheit und vorzugsweise gar nicht.
Schwupps, man hat sich den nächsten mit der gleichen Meinung gebastelt, die man selbst vertritt. Ob der andere wollte oder nicht.
Haltet die Augen offen und lasst euch kein X für eun O vormachen. Solltet ihr nicht sicher sein, ob etwas wahr oder falsch ist, fragt Google. Es gibt Seiten wie Mimikama, Snopes und viele weitere, die so was aufdecken.