Eigtl. wollte ich diesen Beitrag am 1.3.2021 schreiben und dachte, dass er ein Happy End beinhaltet. Leider wird daraus wohl nichts. Deshalb schreibe ich den Artikel nun jetzt schon. Ich versuche ihn so weit es geht chronologisch zu gestalten.
Ich habe Hashimoto Thyreoiditis, d.h. mein Körper “frisst” meine Schilddrüse auf. Das zählt zu den Autoimmunkrankheiten. Wie auch hier im Blog schon mehrfach an anderer Stelle erwähnt. Diagnostiziert wurde das im November 2019.
Davor hieß es nur “Schilddrüsenunterfunktion, kann sein, muss aber nicht, dass es Hashimoto Thyreoiditis ist”. Diese Diagnose dauerte mindestens 20 Jahre, in denen ich immer dicker wurde, Herzprobleme hatte usw, andere Ärzte das allerdings als “psychosomatisch” abtaten und mir nicht glaubten, dass ich wirklich nicht viel aß. Ich schrieb mindestens, weil ich schon immer als Kind, trotz viel Bewegung an der frischen Luft, “moppelig” war und nach der Schule erst mal ein paar Stunden Mittagsschlaf halten musste. Vor gut 20 Jahren bekam ich allerdings massive Probleme, dass ich kaum noch meinen Alltag bewerkstelligen konnte. Durch die Unterfunktion habe ich heute einen BMI von 36. Den ich mittlerweile ganz gut gehalten bekomme in der Isolation. An Abnahme ist leider nicht zu denken, das versuchte ich. Es hapert wohl an der wenigen Bewegung.
Normal hätte ich – wenn ich mich recht erinnere – ca. 3 Monate später und damit im Februar noch mal zur Kontrolle gemusst, ob die 75µg des L-Thyroxins ausreichend sind. Eine Tablette pro Tag muss ich davon nehmen.
Im Januar und Anfang Februar hatte ich sehr viel um die Ohren. Da war die Schwiegeroma im KH, sowie diverse persönliche Probleme und dann war da noch nCov. So nannte man SARS-CoV-2 zuerst.
Ende Januar gab es die Fälle bei Webasto. Diese konnten gut isoliert werden. Puh! Alles noch mal gut gegangen!
Doch dann kam Ende Februar der Karneval und Heinsberg wurde zu einem Cluster.
Ab dem 24.2.2020 arbeitete mein Mann nur noch von Zuhause aus. An diesem und am Folgetag wurde beim Pärchen in Heinsberg SARS-CoV-2 nachgewiesen. Kurz darauf folgen viele weitere Infektionen in diesem Kreis, der auch als Wendepunkt der Epidemie in Deutschland gilt (Quelle aufgerufen am 22.2.2021).
Wir entschieden am folgenden Wochenende (27.2./28.2.) uns zu isolieren und bestellten Nahrungsmittel für drei Monate. Die Gründe waren folgende:
- In den Supermärkten husteten sich einige Personen die Lunge aus dem Leib oder standen schniefend und hustend dicht hinter einem an der Kasse. Ich rannte hierbei einmal aus dem Laden ohne meinen Einkauf zu vervollständigen. Mein Mann entschied, dass wir woanders hinfahren. Vor der Tür angekommen, konnte ich nicht mehr hinein gehen. Mein Mann erledigte darauf hin den Einkauf alleine. Es sollte vorerst unser letzter Einkauf in einem Supermarkt werden.
- Ich bat mal um Abstand, da wurde extra dicht aufgerückt und so getan, als würde man mich infizieren wollen. Das geschah zwei Mal.
- Mittlerweile lasen wir, dass u.a. Menschen mit Herz-/Kreislauferkrankungen, Autoimmunkrankheiten und Übergewicht zu den Risikopatienten zählen. Wovon jeweils zwei Sachen auf mich und meinen Mann zutreffen.
So isolierten wir uns ab dem 1.3.2020. An die Tür klebte ich ein Schild:
Eigtl. hätten wir uns eine Küche im März kaufen wollen. Stattdessen saßen wir nun mit einer Mikrowelle mit Back- und Grillfunktion, einer einzelnen Induktionsherdplatte, einem Wasserkocher und einer Heißluftfritteuse da. Aber es sollten ja nur drei Monate werden! Dann würde sich alles wieder beruhigt haben!
Wie naiv wir waren!
Da wir nur “Dosenfutter”, kleine Menüschalen und Tütensuppen bestellt hatten, dies jedoch auf Dauer zu einseitig wurde, bestellten wir uns eine Gefriertruhe mit 240L Inhalt. Dazu neue Kochtöpfe. Unsere alten erkannte die Induktionsherdplatte leider nicht. Das einzige Stück, das sie erkannte, war eine alte Pfanne, die schon längst hätte auf den Müll gehört. Mit der Gefriertruhe konnten wir nun TK-Ware bei BoFrost, Eismann usw. bestellen, die für einen Monat ausreichend war und diese in den neuen Töpfen erwärmen. So retteten wir uns von Monat zu Monat. Immer wieder Nahrungsmittel im Netz bestellend.
In der ganzen Zeit der Isolation hielt ich mich mit meinen Hobbys über Wasser. Ich nähte, webte mit Perlen, malte nach gut 30 Jahren mal wieder mit Pastellkreide, fand eine Brieffreundin, setzte einen alten Computer mit Emulationstation und verschiedenen Emulatoren für alte Computer auf (AMIGA, ZX81, C64 u.a.), malte mit Window Color, goss Seifen, fing ein Buch an zu schreiben, bastelte mit Papier und zu guter Letzt bekam ich Wolle geschenkt, um – ebenfalls nach gut 30 Jahren – wieder mit dem Häkeln anzufangen. Mein größtes Hobby ist allerdings der 3D-Druck.
Das letzte Stück, das mein 3D-Drucker Ende März noch ordentlich heraus brachte, war eine Seifenschale. Danach wollte ich Untersetzer für Pflanzen drucken, denn wir hatten uns Samen bestellt, damit ich was zu tun hatte. Leider druckte er total seltsam.
Ich fand nach einiger Zeit die Lösung. Anscheinend hatte es den Motortreiber für den Extruder gekillt. Macht nichts! Ich hatte ja noch Ersatz. Der allerdings ebenfalls schnell zerstört war.
Der Fall war klar! Das Mainboard hat einen Fehler und es müsste ein neues her. Leider gab es das nur noch zu horrenden Preisen. Um genauer zu sein: Drei Mainboards ergaben einen neuen Drucker. Die mittlerweile eh viel besser druckten und stabiler waren, als mein alter Drucker. Da hatte sich einiges getan in den drei Jahren.
Hin und wieder geht es halt nicht mehr. Da bringt alles reparieren und Geld hineinstecken nichts mehr. Es übersteigt den Preis eines Neugeräts, das zudem besser ist. Ich bin kein Freund von wegwerfen. Daher auch das Hobby des 3D-Drucks. Damit kann man reparieren, aber auch verbessern. Der alte Drucker wurde daher ausgeschlachtet und wird wahrscheinlich ein kleiner Plotter oder so was.
Der Neukauf tat im Geldbeutel weh, sehr weh. Denn wir hatten und haben immer noch einiges an Mehrkosten durch die Isolation. Im Schnitt kann man sagen, dass die Lebenserhaltungskosten auf das 2,5fache gestiegen sind von vor der Isolation. Trotzdem hat sich der neue Drucker längst rentiert. Dazu später etwas mehr.
Im April hatte ich Geburtstag. Ich fand es 2019 toll 2020 44 zu werden und wollte das groß feiern. Tja, dann wohl nachfeiern. So lange kann das alles ja nicht mehr gehen. Wir haben dafür ja noch den Lockdown bis voraussichtlich Ostern. Ich stolperte per Zufall über die B-DAY BIBS (kein Affiliate!) von Kullaloo und nähte mir ein Alien, statt mit Freunden zu feiern.
Am Tag der Fertigstellung kam mein neuer 3D-Drucker an und wurde noch am gleichen Tag aufgebaut.
Mitte April bekamen wir bescheid, dass meine Schwiegermutter positiv getestet worden ist. Es sah sehr, sehr schlecht für sie aus. Sie überlebte es so gerade eben. Ob und wann sie sich erholt, ist fraglich.
Etwas später im April bekam ich langsam einen Koller. Mir fehlten die verbalen Gespräche mit anderen Menschen und in mir wuchs der Wunsch nach einem CB-Funkgerät mit SSB. Leider kosten die ca. 250€ und hinzu kommen noch die Kosten für eine Antenne und Kabel. Das war absolut nicht drin. Daher kam mir die Idee auf Twitch zu streamen und eine Spendenadresse einzubinden. Diese Idee wurde schnell verworfen, da ich weder ein Mikrofon, noch einen zweiten Monitor besitze. So konnte ich natürlich nicht richtig mit den Zuschauern interagieren.
Der Mai verging einfach so und es wurde schnell klar, dass wir noch länger in Isolation sitzen würden. Also fingen wir am 15.5.2020 an zu tapezieren und zu streichen. Die Sachen dafür waren schon im Dezember ’19 und Januar ’20 gekauft worden. Es fehlte nur noch ein wenig Farbe, die wir uns online bestellten. Als erstes war das Büro dran. Da mein Mann ja immer noch im Home-Office hockte zum Arbeiten.
Nebenbei fing ich etwas an, das mir sehr wichtig war, ich jedoch nie die Zeit dafür fand: Meine alten Stofftiere sortieren und die, die mir wichtig sind, mal zu waschen. Wegen diverser Teile, die nur aufgeklebt waren und aus Angst, dass Augen abreißen oder so, sollte es unbedingt eine Handwäsche werden und das braucht natürlich einige Zeit. Ich habe übrigens sehr viele Stofftiere, da ich diese sammel(te).
Anfang Juni tapezierten und strichen wir die Hobbyecke. Kurz nachdem wir damit fertig waren, bekamen wir einen Anruf. Die Schwiegeroma lag im Sterben. Ich bin heute noch wütend darüber, wie sie sterben musste. Nicht wegen des Besuchsverbots usw. was SARS-CoV-2 geschuldet war. Sondern vielmehr wie die Ärzte und Pfleger handelten. Sie hatte schon Anfang des Jahres heftige Blutungen im Darm, die allerdings stoppten, ohne dass man wusste wieso. Die Blutung bekam sie jetzt wieder. Wir waren darauf vorbereitet. Sie hätte allerdings eine Palliativversorgung bekommen sollen, die sie nie bekam. Als sie wieder ins Krankenhaus kam, bekam sie noch Blutplasma. Das stellte man nach einer Woche ein. In der Zwischenzeit sollte ein Palliativteam gefunden werden. Man denkt natürlich für die Oma. Nein, für das Personal im Pflegeheim! HÄ?!
Man stellte die Gabe des Blutplasmas also ein. Damit ließ man die Frau langsam aber sicher verbluten. Es gibt wohl zwei Arten: Entweder man schläft ruhig ein oder aber man bekommt Angstattacken. Letzteres bekam sie wohl und hatten einen ungefähr 24 Stunden andauernden Todeskampf. Vielleicht ist das übertrieben ausgedrückt. Ich kann es jedoch nicht anders nennen, wenn jemand Angstattacken hat, dass er stirbt und dies auch schlussendlich tut.
Am Abend, nachdem die Gabe des Blutplasmas eingestellt wurde, nahm ich mir eine Pappleinwand, meine Pastellkreide und malte einfach drauf los. Im Kopf immer wieder sagend:”Tschüß, Oma von [Name meines Mannes]! Es war nett, dich kennenzulernen. Machs gut!” Um ca. 0:10 Uhr hatte ich das Bild fertig gestellt. Ca. 10h später war sie tot.
Uns ging langsam die Seife aus. Wir hatten noch einige Seife aus Marseille 2016 mitgebracht, die wirklich so lange hielt. Auch, weil wir zwischendrin andere gekauft hatten. Der Nachkauf fiel in der Isolation flach. Die Preise waren online ja schon fast so, als würde man sich mit purem Gold waschen wollen.
Eines meiner Hobbies war früher Seifengießen. Ich hatte immer noch ein wenig Seife und das Zubehör (Farbe, Duftstoffe und Formen) dafür. Auf Amazon bestellte ich mir sicherheitshalber noch 4kg nach. Aus 250g bekomme ich drei Seifen. 2kg kosteten 12,50€. Es ist somit einiges günstiger, auch ohne Pandemie. Von den 4kg sind jetzt (22.02.2021) noch 3,75kg übrig. In 8 Monaten habe ich 1000g verbraucht. Man kann also ungefähr mit 125g/Monat rechnen. Ich habe damit noch 30 Monate Zeit, um neue Seife zu kaufen.
Jemand suchte auf Twitter nach einer Lösung, dass ihm die Ohren nicht mehr so schmerzten von den Gummibändern der Maske, also bot ich an, dass ich ihm diese Halter für hinter den Kopf druckte. Das Angebot nahm allerdings jemand ganz anderes dankend an. So druckte ich 20 “Ohrenschoner” und freute mich, dass ich jemanden helfen konnte. Es sollte später noch einiges mehr werden, wie ein Nachdrücker für einen Häcksler, Gardinenstangenhalter, Spiele für uns, Figuren für den Feengarten, Tischmülleimer zur Mülltrennung im Büro, Abstandshalter, Muttern usw. Was man halt so braucht und nicht so einfach nachkaufen kann, wenn man sich isoliert oder die Kontakte reduziert. Gerade Baumärkte sollen ja überlaufen gewesen sein.
Briefe verschickten wir mitten in der Nacht, wie z.B. die Anfrage nach einem Rezept für mein L-Thyroxin oder die Ohrenschoner. Wenn wir tanken mussten, fuhren wir ebenfalls mitten in der Nacht zu einer Automatentankstelle ein paar Orte weiter. Es ist damit in der Tat möglich seine Kontakte auf null zu reduzieren!
Kurz darauf fing ich das Häkeln wieder an. Wer gerne häkelt und süße Figuren sucht, der darf gerne mal hier vorbei schauen. Aber Vorsicht! Ich hätte fast alles aus dem Shop gekauft. Der Link ist übrigens ebenfalls kein Affiliate!
Mein Mann blieb ebenfalls nicht verschont davon keine Geburtstagsparty zu haben. Er wurde 40. Aus diesem Grund gab es auch für ihn ein Geburtstagsalien.
Ungefähr zu dieser Zeit fingen Kinder an vor unserer Tür zu spielen. Seitdem kann ich die Tür nicht mehr ohne Angst aufmachen. Immer habe ich Angst, dass mindestens ein Kind davor hockt und spielt. Der Abstand wäre in dem Fall ziemlich gleich null. Ja, draußen, längerer Kontakt usw. Trotzdem gehöre ich zu mehreren Risikogruppen und habe gerade des wegen Angst! Ich finde absolut keinen Grund, wieso man unbedingt als Kind vor den Türen fremder Menschen spielen muss.
Nachdem der Juli fast um war, entschieden wir uns das Wohnzimmer neu zu tapezieren und zu streichen. Eine Küche hatten wir übrigens immer noch nicht.
Es ging weiter damit alte Hobbys “auszugraben”, einfach um etwas zu tun zu haben, wie das Perlenweben, malen mit Window Color (die Farben sind gut 15 Jahre alt!) und Basteln mit Papier.
Außerdem mistete ich nebenbei alte Computerdisketten und CDs aus. Die holte ich mir bei Archive.org für meinen PC mit den Emulatoren. Es gibt unheimlich viel Platz zurück, wenn man die alten Disketten und CDs wegwirft, die man als digitale Kopie findet. Daher fing das richtig an Spaß zu machen. Ich bin übrigens immer noch dabei, da ich so viele Systeme habe (Stand 22.2.2021).
Eine weitere Person hätte während der Pandemie einen Grund zum Feiern gehabt. Sie wurde 50. Also gab es hier ebenfalls ein Geburtstagsalien. Wo ich schon mal wieder die Nähsachen draußen hatte, hab ich für ein uraltes Stofftier von mir, an dem ich wegen einer sehr speziellen Erinnerung sehr hänge, eine Frau genäht.
Mit großen Schritten ging es auf Halloween zu. Was wir uns als ein weiteres Ziel absteckten, an dem die Pandemie in Deutschland sicherlich zu Ende sein würde. Die Zahlen sanken ja. Ich fühl mich so irrsinnig naiv im Nachhinein. Jedoch überlebten wir bis jetzt. Das war und ist das Wichtigste!
Ich bereitete ganz viele Fensterbilder vor, die nicht nur für Halloween waren, sondern generell für den Herbst. Allerdings übernahm ich mich damit doch sehr. Es war einfach zu viel, das ich basteln wollte.
Halloween kam, ich hatte dafür auch geschmückt. Jedoch konnte ich mich nicht wirklich freuen. Die Zahlen gingen erneut hoch und die Politiker schienen nur um den heißen Brei herum zu reden. Richtige Taten folgten nicht und es wurde schlimmer und schlimmer.
Mittlerweile gab es noch ein Problem. Ich merkte immer mehr, dass ich mich mit meinem Mann gar nicht mehr richtig unterhalten konnte. Wörter entfallen mir, viele Dinge kann ich nicht mehr schnell benennen (“Gibste Dings?”) und generell sind die Sätze so, wie im Beispiel. Häufig “der”, “die” oder “das” verwechselt usw. Ganz häufig nur noch ein Stammeln diverser Wörter, die er hoffentlich ordentlich zusammensetzen kann und versteht, was ich will. Ich wünschte mir immer mehr, dass ich doch irgendwie das Funkgerät hätte kaufen können.
Weihnachten stand bald vor der Tür. Die Politiker taten nun endlich was, aber gerade für die Feiertage nicht konsequent genug. Selbst wenn… Ich hab die ganze Zeit erlebt, wie die Leute sich mit Urlauben “belohnten” und überhaupt! Nach so langer Zeit muss man sich einfach mal sehen! Kein Mensch hält das aus!
Dass ich zu dem Zeitpunkt schon gute neun (!) Monate in absoluter Isolation saß… Egal! So was könne ich nicht von anderen verlangen. Tu ich nicht! Aber zusammenreißen, was die Kontakte angeht, das kann man wohl verlangen? Das Virus “lebt” davon, dass Menschen dicht zusammenhocken!
Übrigens glauben diese Menschen auch nicht, dass ich seit dem 1.3.2020 in Isolation bin. Das kann kein Mensch! Man muss doch Einkaufen usw! Tja, nun… Doch! Es geht!
Wir hatten Anfang Dezember die Schnauze voll davon keine Küche zu haben. Das Geld dafür war komplett in die Mehrkosten unserer Isolation geflossen und wir entschieden uns einen Kredit aufzunehmen. Die Küche bestellten wir nach der Zusage bei IKEA. Des weiteren hatte ich zwei Ideen, wie ich trotz der Pandemie ungefährlich Geld verdienen könnte und besorgte mir einiges dafür. Kurz vor dem Start lag die Inzidenz so hoch, dass es nicht nur eine Ausgangssperre gab, sondern wir uns nur noch 15km weit wegbewegen durften. Die nächste einsame Packstation lag einiges weiter weg. Ja, die Polizei fuhr hier oft durch die Dörfer. Mit Sicherheit haben sie kontrolliert.
Psychisch war ich zu Weihnachten runter. Nicht wegen Weihnachten, sondern einfach, weil es extrem an einem zerrt, wenn man so lange null Kontakte hat. Wenn man gesagt bekommt, man würde lügen. Niemand könne so lange in Isolation leben. Oder man bekommt “Tipps”. Man solle doch endlich wieder vor die Tür gehen. Mit FFP2 passiere da ja nichts! Dass das Virus durch die Poren passt… Geschenkt… Es wird nur aufgehalten durch die elektrische Aufladung einer Schicht. Wenn ich mich doch infiziere und sterbe… Dann ist das halt so! Die Natur siebt eben die Schwächeren aus. Ich hätte das halt zu akzeptieren und nicht so panisch zu reagieren (also in Isolation zu bleiben). Das ist noch eins der harmloseren “Gespräche” gewesen. Es gab auch noch welche, die mich darum “baten” rauszugehen und mich zu infizieren. Wenn ich sterbe, entlaste ich ja das Gesundheitssystem und auch den Staat. In der Welt dieser Menschen können Vorerkrankte eben nicht arbeiten und liegen daher dem Staat auf der Tasche.
Allerdings war eine Impfung in Sicht. Das gab Auftrieb, als wir uns zu Silvester zuprosteten. Kurz danach lagen wir uns weinend in den Armen.
Am 7.1.2021 kamen unsere ersten Teile für die Küche. Wir machen uns da keinen Stress mit dem Aufbau. Ob wir nun neun Monate oder ein Jahr und drei Monate keine Küche haben, macht nun keinen Unterschied mehr. Zum Aufbau haben wir uns einige Teile als Hilfe gedruckt. Ohne den 3D-Drucker hätten wir so einige Probleme nicht lösen können. Darüber werde ich jedoch separat berichten, sobald wir fertig sind.
Gegen Ende Januar fanden wir heraus in welcher Gruppe zur Impfung wir uns befinden, was wir dafür brauchen, bzw. tun müssen und schrieben unsere Ärzte an.
Am 12.2. öffnete ich den Brief meiner Ärztin, da ich langsam neue Tabletten brauchte und diese – so wie immer – bei der Shop Apotheke bestellen wollte. Es lag ein DIN A4 Bogen dabei, von dem ich ausging, dass es das benötigte Attest für Gruppe 3 sei und sich darin das Rezept befindet.
Weit gefehlt! Weder ein Rezept, noch ein Attest! Stattdessen der Hinweis, dass ich das letzte und einzige Mal im November 2019 dort war und man des wegen keine weiteren Rezepte oder Bescheinigungen an mich ausstelle.
Eine Welt brach zusammen. Ich brauchte die Tabletten, denn meine waren zu Ende. Also rief ich in meiner Verzweiflung bei meiner Krankenkasse an. Wo man mich an eine Kollegin weiterleitete, die wiederum sich noch mal vergewissern und mich zurückrufen wollte. Man könne sich ebenfalls nicht vorstellen, wieso ich kein Rezept mehr bekomme und empfahl mir andere Ärzte telefonisch zu fragen, ob man mir wenigstens ein Privatrezept ausstelle dafür. Die Kosten dafür könne man nicht übernehmen. Das Medikament kostet 15€ für drei Monate. Klar, wieder Mehrkosten, die Bauchschmerzen machen. Aber besser, als die Gesundheit zu riskieren. Wie es nach den drei Monaten aussieht, keine Ahnung. Das schlimmere Übel ist, dass ich nun nicht mehr in Gruppe 3 geimpft werde. Stattdessen nun in die Gruppe 4 falle, wie alle anderen. Wir haben jetzt fast März und nicht einmal mit Gruppe 2 begonnen. Die Impfrechner gehen z.Zt. von 2022 aus für Gruppe 4.
Klar, das wird sich sicherlich noch ändern. Es werden mehr Impfstoffe zugelassen, die anderen immer wieder geliefert werden und wahrscheinlich in größeren Mengen, da die Kapazitäten ausgebaut werden. Trotzdem ist Gruppe 4 später an der Reihe, als Gruppe 3.
Damit wäre ich gute zwei Jahre in Isolation. Das Einzige, das mir psychisch gut tat, war die Aussicht auf eine baldige Impfung und die Erlösung aus meinem Gefängnis heraus zu kommen. Das ist nun weggefallen. Ich weine seitdem fast Tag und Nacht und weiß nicht mehr, wie es weiter gehen soll. Mir bleibt als mehrfacher Risikopatient (mein allergisches Asthma ist noch nicht mal irgendwo vermerkt, weil man es angeblich nicht testen könne!) wohl nur noch, dass ich demnächst wieder einkaufen gehe und mich dem Risiko aussetze zu sterben. Das Geld wird immer knapper, lange können wir das nicht mehr aufrecht erhalten. Ein Jahr der vielen und vor allem heftigen Entbehrungen damit für die Katz.
Übrigens schreibt das RKI (Stand: 12.02.2021):”Das Robert Koch-Institut schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein. Diese Einschätzung kann sich kurzfristig durch neue Erkenntnisse ändern.” (Quelle aufgerufen am 22.2.2021)
Am 17.3.2020 war es noch “hoch” und ab dem 26.3.2020 für Risikogruppen “sehr hoch”. (Quelle aufgerufen am 22.2.2021) Wenn es damals für “Normale” hoch war und für Risikogruppen “sehr hoch”, was nun “sehr hoch” für mich bedeutet, kann ich mir an meinen 10 Fingern abzählen.
Aus diesem Grund gibt es Sonderregelungen für das Abholen von Rezepten und Attesten, aber auch für die Disease Management Programme. Leider ist diese Sonderregelung nicht bindend. Sie besagt, dass Risikogruppen sich nicht unnötig dafür in Gefahr begeben sollen und deshalb Rezepte und Atteste auch per Post verschickt werden können. Die Vorlage der Gesundheitskarte entfällt. Das gilt auch für das DMP. Der quartalsmäßige Besuch entfällt, sowie die Dokumentationspflicht des Arztes. Außer der Arzt hält es für absolut notwendig den Patienten zu sehen.
Jetzt ganz ernsthaft gefragt: Wie notwendig kann ein Arztbesuch zur Kontrolle von der richtigen Einstellung des TSH-Werts sein, wenn es für den Patienten ggf. die Ansteckung und den Tod bedeutet? Während er sich gut ein Jahr aus der ganzen Sache heraus genommen hat, indem er sich isolierte und damit das Risiko auf nahezu null reduzierte.