Am 3.2.2021 verfasste meine Ärztin einen Brief, dass sie wegen der einzigen Vorstellung im November 2019 “ohne eine [sic!] Arzttermin keine weiteren Rezepte oder Bescheinigungen ausstellen” würde.
Wie hier beschrieben, befinde ich mich seit gut einem Jahr in absoluter Isolation. Hierbei ist das Risiko mich mit SARS-CoV-2 anzustecken nahezu 0. Im Gegensatz zum erhöhtem Risiko in einer Arztpraxis. Weswegen es Ausnahmeregelungen gibt für chronisch Kranke, das Disease Management Programm, sowie für Rezepte und Atteste damit Risikopatienten nicht extra in Praxis müssen, um sich nicht dem erhöhten Risiko auszusetzen. Klingt sinnvoll in der Theorie, wird allerdings in der Praxis anders gehandhabt und ist leider nicht verpflichtend für die Ärzte.
Allerdings hatte ich gestern ein Gespräch, das zeigte, dass anscheinend viele sich gar nicht der Gefahr für Menschen aus den Risikogruppen bewusst sind. Dazu jedoch mehr in einem separaten Blogbeitrag.
Quellenangaben zu einzelnen Aussagen meinerseits sind am Ende des Beitrags zu finden.
Nach Rücksprache mit vielen Menschen, darunter der KV Hessen, meiner Krankenkasse, der Impfhotline unter 116117 usw. schicke ich ihr nun folgenden Brief:
“Sehr geehrte Frau Sankowski,
ich nehme hiermit Bezug auf Ihr Schreiben vom 3.2.2021, in dem Sie mir mitteilen, dass Sie keine weiteren Rezepte oder Bescheinigungen an mich ausstellen. Da ich nur im November 2019 bei Ihnen vorstellig war.
Im Januar und bis Mitte Februar 2020 konnte ich aus persönlichen Gründen nicht zu Ihnen kommen. Ab Ende Februar breitete sich – u.a. bedingt durch die Ereignisse in Heinsberg – SARS-CoV-2 in Deutschland aus.
Ab dem 24.2.2020 arbeitete mein Mann von Zuhause aus. In dieser Woche hatte ich mehrere unschöne Ereignisse:
Zum einen wollten mich zwei Mal Menschen anstecken, bzw. taten so, als ich um Abstand bat.
Zum anderen musste ich aus Angst einen Einkauf abbrechen, da dort im Laden jemand extrem viel und heftig hustete. Er hörte damit überhaupt nicht mehr auf. Mein Mann und ich fuhren zu einem anderen Laden, den ich allerdings aus psychischen Gründen nicht mehr betreten konnte. Weswegen mein Mann alleine den Einkauf erledigte. Dies war unser letzter Einkauf in einem Supermarkt.
Am 1.3.2020 entschieden mein Mann und ich uns für die komplette Isolation. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir schon erfahren, dass Übergewichtige, Menschen mit Autoimmunkrankheiten oder Herz-/Kreislauferkrankungen nach damaligem Stand sehr wahrscheinlich zu den Risikogruppen gehören.
Sämtliche Nahrungsmittel und weitere Dinge, die wir benötigen bestellen wir seitdem online. An unserer Haustür haben wir ein Schild, dass die Lieferanten und Postboten die Ware nur vor die Tür stellen und klopfen sollen.
Dies alles funktioniert wunderbar, hat allerdings den Nachteil, dass unsere Lebenserhaltungskosten das 2,5fache von dem vor der Pandemie betragen.
Briefe werden von uns sehr spät Abends oder Nachts an sehr abgelegenen Briefkästen eingeworfen. Das Auto betanken wir Nachts an einer Automatentankstelle in Lauterbach.
Wir haben dadurch seit dem 1.3.2020 absolut keinen Kontakt mehr gehabt. Von der psychischen Belastung will ich gar nicht erst anfangen, die das o.g. mit sich bringt. Der Wunsch endlich wieder halbwegs normal hinaus gehen zu können ist jedenfalls immens groß. Halbwegs normal deshalb, weil man natürlich auch nach der Impfung eine Maske tragen muss. Das Risiko eines schweren oder gar tödlichen Verlaufs aber so gut wie 0 ist.
Mitte April erkrankte meine Schwiegermutter an COVID-19 und es sah so aus, als würde sie daran sterben. Sie überlebte es zum Glück gerade eben.
Im Dezember gab uns die Aussicht auf eine Impfung Hoffnung. Wir informierten uns und stellten durch das Epidemiologische Bulletin 2/2021 des RKI fest, dass das Übergewicht sogar noch der größte Risikofaktor ist (siehe Tab. 14, Seite 39 im eben erwähnten Bulletin).
Seit 2016 kämpfe ich mit 90kg, obwohl wir vor der Pandemie sehr aktiv waren mit Wanderungen von ca. 15km am Wochenende und meist täglich im Urlaub. Damals wusste ich noch gar nicht, dass meine Schilddrüse nicht in Ordnung ist, obwohl ich immer mit Übergewicht zu kämpfen hatte und des wegen schon vor ca. 20 Jahren häufiger beim Arzt war. Wo es nur hieß, ich solle halt nicht so viel Schokolade essen. Süßigkeiten waren natürlich das erste, das ich wegließ. Ich habe mir dieses Gewicht also nicht „mal eben“ in der Isolation angefressen, um in Gruppe 3 zu landen. In der ich wegen Hashimoto Thyreoiditis, das Sie diagnostizierten, eh bin.
Lt. KBV und KV Hessen besteht eine Sonderregelung für chronisch Kranke, das DMP und die Abholung von Attesten und Rezepten. Diese Sonderregelung besagt, dass Risikogruppen nicht dem erhöhten Risiko einer Ansteckung ausgesetzt werden sollten. Außer der Arzt sieht dies als absolut notwendig an.
Die Gefahr einer Ansteckung beträgt für mich in meiner Isolation nahezu 0. Schmierinfektionen sind – soweit mir bekannt – bisher undokumentiert, bzw. nicht vorgekommen.
Ich frage Sie daher, wie notwendig ist eine weitere Untersuchung, dass ich mich dem Risiko aussetzen soll mich evtl. mit SARS-CoV-2 zu infizieren, daran vielleicht schwer zu erkranken und ggf. sogar daran zu sterben? Aus meiner Sicht bewegt sich das Risiko an einem nicht 100% richtig eingestelltem TSH-Wert zu sterben ebenfalls nahezu 0 in meinem Fall. Denn eine extreme Unterdosierung oder gar Überdosierung dürfte in meinem Fall nicht vorliegen. Weswegen ich Ihre Entscheidung mir nichts mehr auszustellen absolut nicht verstehen kann und sie sogar bedeutet, dass ich noch sehr viel länger in Isolation bleiben muss. Ab jetzt sogar ohne das von mir benötigte Medikament. Was aus meiner laienhaften Sicht – ich bin ja kein Arzt – sehr viel schlimmer sein dürfte, als dass die von Ihnen verordneten 75µg L-Thyroxin vielleicht nicht ausreichend sind oder vielleicht leicht überdosiert. Als ich damals bei Ihnen war, war der TSH-Wert mit den von mir damals eingenommenen 50µg ja noch zu hoch.
Ich habe auf Twitter unter dem Pseudonym @KowalskiFlausn ständig über meine Isolation getwittert und ebenso darüber, dass ich in Gruppe 3 eingeordnet bin durch meine Vorerkrankungen. Natürlich dort auch von Ihrer Entscheidung getwittert. Aus diesem Grund möchte ich Sie darauf hinweisen, dass ich diesen Brief, sowie im Falle einer Antwort von ihnen diese auszugsweise im Blog http://lunaflausnswelt.moseisley.de/ und auf Twitter veröffentlichen werde.
Nach Rücksprache mit einem Anwalt, der Impfhotline unter 116117 und meiner Krankenkasse wären Sie eigtl. dazu verpflichtet mir ein Attest auszustellen. Aus diesem Grund mache ich nun von meinem Recht Gebrauch und fordere von Ihnen eine Kopie meiner Patientenakte. Die Kosten hierfür werde ich Ihnen selbstverständlich erstatten. Ich bitte daher um eine Rechnung und Bankverbindung, um Ihnen die Kosten kontaktlos erstatten zu können. Durch Ihren letzten Brief an mich ist das Vertrauensverhältnis leider zerstört.
Ich bitte um baldige Antwort.”
Quellen:
– §4 der Impfverordnung besagt, dass Menschen mit einem BMI >=30, sowie Autoimmunerkrankungen in Gruppe 3 (erhöhte Priorität) eingeordnet sind.
– Text eines Anwalts zur Arzthaftung bei Unterlassung oder fehlerhaften Ausstellung von Attesten.
– Recht eines Patienten zur Einsicht in seine Patientenakte §630g BGB.
– RKI zum Thema Übertragungswege.
– Das Bundesinstitut für Risikobewertung zum Thema Schmierinfektion (Seite 2)
– Die Kassenärztliche Bundesvereinigung zu den Sonderregelungen. (Seite 3 “Portokosten für Folgerezepte […]”, sowie Seite 4 “Kontrolluntersuchungen und Schulungen von DMP-Patienten […]”)
– Wikipedia zu Hashimoto Thyreoiditis
– Epidemiologisches Bulletin RKI 2/2021